Der Trägerverein ist die große Stütze

Der Trägerverein, die 1983 gegründeten „Musikfreunde Oberland e.V.“ mit mehr als 200 Mitgliedern, darunter viele aktive Sänger und Musiker, unterstützt ideell und finanziell die aufwändige Arbeit des Freien Landestheaters Bayern (FLTB)...

Miesbach. Am Samstag, 24. März, geht um 19 Uhr die Uraufführung des „Jedermann“, vertont vom Intendanten des Freien Landestheaters Bayern (FLTB), Rudolf Maier-Kleeblatt, im „Waitzinger Keller“ über die Bühne. Aus Anlass des Doppeljubiläums – 25 Jahre Musiktheater im Oberland und 10 Jahre „Waitzinger Keller“ – präsentiert der Miesbacher Kulturpreisträger Maier-Kleeblatt den Klassiker erstmals als abendfüllendes Musiktheater. In gut 300 Stunden hat er 30 Musiknummern für seine Neu-Interpretation des zeitlosen Spiels vom Sterben des reichen Mannes komponiert – für Kammerorchester mit Harfe, Klarinette, Fagott und Streicher, Chor und Solisten.

Frage: Warum der "Jedermann"? Was hat Sie daran gereizt, gerade diesen Klassiker, der ja durch Hugo von Hofmannsthal und Salzburg geradezu unsterblich geworden ist, zu vertonen für Ihr Musiktheater?

Rudolf Maier-Kleeblatt: Die religiös-philosophischen Fragen, die im Mittelpunkt des „Jedermann“ stehen, haben meiner Ansicht nach nichts an Aktualität eingebüßt. Fragen nach dem Leben und Sterben stellen sich die Menschen zu allen Zeiten. Wie gestalten wir unser Leben, wie gehen wir miteinander um, was kommt nach dem Tod?  Die Idee, das Stück als Musiktheater auf die Bühne zu bringen, beschäftigte mich seit langem. Ein willkommener Anlass zur Verwirklichung waren die beiden Jubiläen, 25 Jahre Musiktheater im Oberland und das zehnjährige Bestehen unseres Stammhauses, des Waitzinger Kellers. In gewisser Weise ist es für mich auch eine Gelegenheit zur  künstlerischen Reflexion der Erfahrungen mit einem Vierteljahrhundert Volkstheater vom „Holledauer Fidel“  bis zur „Zauberflöte“. Nun sind wir die erste Bühne, die einen „ Jedermann“ in Musiktheaterfassung anbieten kann. Und das auf sehr unkonventionelle Weise.

Frage: Wieso unkonventionell? Das macht neugierig. Worauf darf sich denn das Publikum einstellen?

Maier-Kleeblatt: Wir bieten keine gängige Form des Musiktheaters an. Es ist keine Oper, kein typisches Musical, auf gar keinen Fall eine Operette. Noch am ehesten ist es ein Singspiel. Zumindest tragen manche meiner Kompositionen singspielhafte  Züge. Eigentlich ist es ein saftiges bairisches Volksstück mit ausdrucksstarker Musik, die keiner bestimmten Form, nur der Dramaturgie des Stücks verpflichtet ist.

Frage: Der „Jedermann" spricht bei Ihnen bairisch. Haben Sie auch bairische Musik komponiert?

Maier-Kleeblatt: Was das eigentlich „Bairische“ an der bairischen Musik genau ausmacht, ist gar nicht so leicht zu beschreiben. Eine wichtige Rolle fällt dem Rhythmus zu, der in der alpenländischen Musik stark von den Volkstänzen geprägt ist. Ich schreibe keine eigentliche Volksmusik, verwende jedoch sehr häufig Taktwechsel im Sinne des Zwiefachen. Klarinette und Harfe spielen als Volksinstrumente für die klangliche Atmosphäre eine wichtige Rolle. Die traditionellen Formen Marsch, Polka, Ländller und Gstanz´ l verwende ich gerne als Grundlage für musikalische Brechungen und Verfremdungen. Den Gegenpol dazu bildet im letzten Drittel des Stücks eine  Folge geistlicher Kompositionen mit lateinisch katholischen und lutherisch deutschen Texten, die konsequent den schmerzhaften inneren Wandel des Jedermann, der ja eigentlich ein Schuft ist, begleiten. Jedermanns Figur ist mit einem dreitönigen  prägnanten Leitmotiv gekoppelt. Als Gelenkstellen zwischen Dialog- und Musikabschnitten dienen Rap-mäßige Rezitationen, ähnlich wie ich sie auch schon im „Rattenfänger“ verwendet habe. Jedermann findet sich ja unheimlich cool und seine Tussi, die Buhlschaft, steht ihm darin in nichts nach. Eine musikalische Besonderheit ist die Rolle des Tods. Mir ist aufgefallen, dass mein Orchesterflötist, Andreas Haas, in seinem Kindertheater „Klassik für Kinder“ beachtliche darstellerische Talente zeigt. Das hat mich auf die Idee gebracht, ihn als flötenden Tod auf die Bühne zu stellen. Das besondere an ihm ist seine Fähigkeit, im schnellen Wechsel alle möglichen Arten von Flöten bis zur Hornflöte spielen zu können – und das noch dazu in Live-Improvisationen.

Frage: Was schafft die Musik, was das Schauspiel allein nicht schafft?

Maier-Kleeblatt: Mir war ganz wichtig, mit der Musik nicht den Text zu erdrücken, sondern zu unterstreichen und mit Hilfe der Musik den Wandel vor allem des Jedermann selbst plausibel zu machen. Musik bringt Stimmungswechsel in kürzester Zeit präzise auf den Punkt, wofür im Schauspiel Aufwand notwendig ist. Die Darstellung des Wandels der inneren Befindlichkeit Jedermanns, seiner intimsten Beziehung zum Höchsten, der Religio, der Rückbindung an seinen Schöpfer, der er sich aber nicht bewusst ist und die er bei anderen verspottet, ist eine eminent schwierige schauspielerische Aufgabe, die meines Erachtens nur mit der Unterstützung durch differenzierte musikalische Stimmungen gelingen kann.

Frage:  Und wie schafft das die Musik?

Maier-Kleeblatt: Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Grundproblematik der Jedermann-Figur und ernsthaftem Ringen um eine adäquate musikdramaturgische Umsetzung gehe ich sogar soweit und sage: es ist primär die Musik, die mit ihrer Magie die Impulse für die innere Wandlung in Jedermann auslöst. Ohne diese Magie, ohne äußere und innere Einflüsse auf seine Person ist der Wandel nicht zu bewirken. Dazu gehören auch religiöse Rituale und Zeremonien, die wiederum der Unterstützung durch Musik bedürfen. Weihrauch, Gebete, Licht, Formeln, Symbole, Verlockungen und Führung der spirituellen Art bis hin zur Drohung mit ewiger Verdammnis, das „ganze Programm“ kirchlicher Einflussnahme also wird aufgeboten, um die arme Seele dahin zu bekommen, wo man sie gerne hätte. Hier wird´s wirklich interessant. Bleibt diesem Jedermann, der im Spiel den Menschen schlechthin  vertritt, überhaupt noch eigener Entscheidungsspielraum angesichts der drohenden Katastrophe der unerwartet frühen Abberufung? Warum fährt er nicht stolz und konsequent in die Hölle wie Don Juan, was ihm sicher auch nicht schlecht anstünde? Total spannend finde ich dabei auch die Rolle der allegorischen Figuren Tod, Teufel, Glaube und Werk. Was auf den ersten Blick wie ein verstaubtes Überbleibsel mittelalterlicher Mysterienspieltradition anmutet, entpuppt sich bei genauerer Beschäftigung als Auslagerung von Abspaltungen  immanenter Persönlichkeitsanteile eines Zerrissenen. Nur eine von  vier Figuren wird ihn knacken. Es schien mir zwingend nötig, den Glauben mit einer hochkarätigen Sängerin zu besetzen. Der Wirkung ihres Sirenengesangs hat er verstandesmäßig nichts entgegenzusetzen. Er entdeckt am Ende seines Lebens die Bedeutung der Ehrlichkeit  seiner eigenen intimsten Emotionen, geweckt vom Glauben, die ihn mit ihrem Gesang verführt, vorbehaltlos in sich hineinzulauschen. Das haut ihn schließlich um. Ist doch eine irre Story- und liegt weit außerhalb der Möglichkeit des Schauspiels.

Frage: Wie stark haben Sie sich bei Ihrer Interpretation des Stücks an der Original-Vorlage von Hofmannsthal orientiert? Oder wie sehr weichen Sie ab?

Maier-Kleeblatt: Grundsätzlich folge ich der Vorlage Hofmannsthals. Allerdings ist die Zeit  seither voran geschritten. An manchen Stellen schien es mir deshalb angebracht, das Stück dem aktuellen Verständnis von Ethik und Religion anzupassen und  mit aktuellen Bezügen zu versehen. Im Wesentlichen habe ich das Spiel um eine Introduktion und einen Epilog erweitert. Nach dem Prolog zeige ich, warum Gott so plötzlich Rechenschaft fordert. Auch die Buhlschaft hat bei mir einen anderen Stellenwert als bei Hofmannsthal, wo sie nur knapp eine viertel Stunde präsent ist. Bei mir steht sie eine Stunde lang auf der Bühne, ein g´standnes Vollweib und dem Jedermann absolut ebenbürtig. Und bei mir spielen auch Angehörige anderer westlicher Religionen eine gewisse Rolle, da sich das Problem des Jedermann nicht nur auf die Christen beschränkt.

Frage: Das Freie Landestheater ist bekannt und beim Publikum beliebt auch wegen der oft opulenten Ausstattung. Wie wird das beim Jedermann aussehen?

Maier-Kleeblatt: Unser „Jedermann“ ist angesiedelt im ausgehenden Mittelalter. Auch wenn es viele heutige Bezüge im Stück gibt, finde ich eine moderne avantgardistisch-experimentelle Inszenierung nicht förderlich. Theater ist für mich Verkleidung, Rollenspiel, Perspektivenwechsel, Illusion, Träume, Zauber und Raum für öffentliche Emotionen. Dazu brauche ich phantasievolle, ansprechende Kostüme und ein aussagekräftiges Bühnenbild.

Frage: Und, letzte Frage, wird der Jedermann am Ende zum Wohltäter? Oder hat der Teufel leichtes Spiel und macht schnelle Beute?

Maier-Kleeblatt: Das wird noch nicht verraten. Nur soviel: Wir bieten keine konventionelle Lösung an. Es kommt  zu einer überraschenden Wende und im Epilog zu einem deftig humorigen Schluss.