Franz Lehár und seine Musik – Gedanken des künstlerischen Leiters des FLTB
Lehár wurde 1870 in der Slowakei als Sohn eines k. u. k. Militärkapellmeisters geboren. Sehr jung schon studierte er am Prager Konservatorium, u.a. bei Antonin Dvorak. Mit 18 Jahren arbeitete er einige Jahre lang als Geiger am Theater, dann als Militärkapellmeister in diversen Garnisonsstädten. Nach ersten Erfolgen als Komponist und Dirigent eigener Bühnenwerke zog er dauerhaft nach Bad Ischl. Er avancierte schnell zum Protagonisten der Wiener Operette, später auch der europäischen. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1905 mit seinem heute noch meistgespielten Werk „Die lustige Witwe“. Er starb 1948 in Bad Ischl, wo sein musikalischer Nachlass noch heute archiviert ist.
Lehárs Sympathien für Dramatik der Oper seiner Zeit fließt in den Folgejahren immer mehr in die musikalische Gestaltung seiner zahlreichen Operetten ein. Ende der Zwanzigerjahre entschließt er sich zur Neufassung seiner früheren Operette „Die gelbe Jacke“, der 1923 nur mäßiger Erfolg beschieden war, und erzielt 1929 mit „Das Land des Lächelns“ schließlich einen weiteren nachhaltigen Welterfolg. Großen Anteil daran hatte der berühmte Tenor Richard Tauber – eigentlich ein Opernstar. Er übernahm die Partie des chinesischen Prinzen Sou-Chong mit dem Mega-Hit „Dein ist mein ganzes Herz“.
Asiatische Sujets haben in etlichen Werken dieser Epoche ihren Niederschlag gefunden. Man denke in der Oper an „Madame Butterfly“ und „Turandot“ oder auch an „Der Mikado“- eine sehr erfolgreiche Operette des englischen Komponisten Sullivan. Die Beschäftigung mit der Musik hochkarätiger, teils sogar befreundeter Kollegen wie Puccini, Debussy und Richard Strauss ist bei Lehár ohrenfällig. Im „Land des Lächelns“ ist seine gewissermaßen bipolare Musikdramaturgie schon weit fortgeschritten:
Einerseits gestaltet er raffinierte und ausgefeilte Klangwelten mit sehr speziellen Harmoniekombinationen und üppiger Instrumentierung, insbesondere in den opernhaften Finalnummern und den staatstragenden Szenen am chinesischen Hof. Andererseits geht er immer wieder zurück auf den schlichteren Kern der Wiener Operette.
Lehár zeigt sich als reifer Meister des leichten Operettenfachs, ob im gesungenen und getanzten „Swing“ des Wiener Walzers der Lanner-Strauß-Tradition, im Wiener-Lied-Stil der Lisa mit seiner speziellen Agogik und dem typischen Rubato-Volkston, im Salonton der ersten Begegnung Lisa/Sou-Chong oder in den pfiffigen Gesangs- und Tanznummern des Buffo-Paares Gustl/Mi.
Die besondere Herausforderung bei der klanglichen Gestaltung eines „chinesischen“ Stücks ist die Frage nach den musikalischen Mitteln. Die Verwendung „echter“ chinesischer Musik, etwa im Sinne der Peking-Oper ist weder ästhetisch noch unter den praktischen Gesichtspunkten der Realisierung mit einem westlichen Klangkörper sinnvoll. Lehárs Lösung ist durchaus reizvoll und wird mindestens als „exotisch“ wahrgenommen. Immerhin greift er drei wesentliche Elemente chinesischer Musiktradition auf, die es auch in der europäischen gibt: Einstimmigkeit, Quint- und Quartparallelen (Greg. Choral) und Pentatonik.
Von Puristen wird das Werk Lehárs gelegentlich als „überkünstelt“, „parfümierter Verismo“ oder „ausladender Seelenprunk“ kritisiert. Wie immer man es sehen mag: In jedem Fall steht es einer ambitionierten Bühne wie dem Freien Landestheater Bayern gut an, sich mit einem so namhaften Werk kreativ auseinander zu setzen, Stimmigkeit anzustreben und Freude an der Gestaltung einer Produktion zu entwickeln.